Freitag, 2. September 2016

Baum und Zeit (2)







Neulich war ich schon einmal mit euch hier, auf dem Gelände der ehemaligen Beelitzer Heilstätten, mit meinem Sohn. Nach der Alten Chirurgie möchte ich euch heute den noch ganz neuen Baumkronenpfad (vor einem Jahr eröffnet) und das inzwischen bewaldete alte Alpenhaus näher zeigen (seit 1945 Ruine).






Zuerst sind wir ganz nach oben, auf die 42 m hohe Plattform, zu Fuß treppauf. Es gibt auch einen Fahrstuhl bis nach oben und der Pfad ca. 15 m weiter unten ist auch mit Rollator und Rollstuhl befahrbar. Plattform und Pfad sind mit vielen Hinweisen zur Aussicht versehen. An klaren Tagen soll man den Berliner Fernsehturm sehen können.


Der Blick von oben nach unten in die Baumkronen hat etwas ganz Besonderes. Wie ein weicher grüner Teppich liegt der Wald unter uns... Wir wohnen ja in Brandenburg nicht in den Bergen...






Auch die Alte Chirurgie können wir noch einmal sehen. Ein riesiges Gebäude.






Ganz schön windig war's da oben, nach einer Weile Rundumsicht stiegen wir hinab auf die Höhe des Pfades, von 28 m über Gelände geht es nun sanft abwärts, zwischen den Baumkronen hindurch, Richtung "Alpenhaus", das bald als Ruine neben uns auftaucht, mit einem Wald auf dem Dach.



Das Stahlgerippe des ehemaligen Wassertanks auf dem Dach.




In den letzten Tagen des 2. Weltkriegs brannte das Haus aus, insbesondere die beiden Obergeschosse wurden schwer zerstört. Die Sowjetarmee, die das Gesamtgelände zu DDR-Zeiten als Militärhospital nutzte, sanierte dieses Haus nicht und so hatte die Natur inzwischen 70 Jahre Zeit sich am, im und auf dem Haus einzurichten. Gleichermaßen verstört und fasziniert blickt der Besucher darauf...





EDIT: Der Text ist zwar korrekt, aber (siehe Kommentar vom Bahnwärterhäuschen) dennoch bleiben für den historisch nicht detailliert Bewanderten auch Fragen offen, so dass er nun  umformuliert wird. Dies und weitere erläuternde Tafeln werden auf dem Pfad in den nächsten Wochen eingerichtet (Mail der Geschäftsführung vom 5.9.16 auf unseren Hinweis hin).




Die Bäume wachsen, wo ihre Sämlinge Halt finden, auf den Geschossdecken, in Treppenhäusern... Die Pioniere der Brandenburgischen Waldlandschaften vornweg: Birken, Ebereschen, Kiefern. Auch Fuchs und Maus haben dort gutes Auskommen. Der größte Wald Europas auf einem Haus. Wir konnten uns lange nicht losreißen von diesem Anblick. Da die Erdschicht naturgemäß nur gering und es sehr trocken ist, können sich Bäume in höherem Alter nicht mehr halten und ernähren und sterben ab. Aber der Wald verjüngt sich immer wieder selbst, indem die durch Umstürzen der Bäume entstehenden Lichtungen Sämlingen gute Wachstumsbedingungen bieten. So funktioniert auch eigentlich Wald...






Schließlich zogen wir weiter, denn der Pfad biegt nachher ab und führt direkt in die Ruine des Hauses zwischen zwei Gebäudeteilen hindurch, so dass man direkt auf den "Waldboden" im Haus schauen kann...






Diese eigenartige Atmosphäre von Lebendigkeit und Verlassenheit ruft ganz widersprüchliche Gefühle in uns hervor. Es ist nicht nur ein Blick in die Vergangenheit sondern auch in die Zukunft, wie sie aussehen könnte, falls wir Menschen eines Tages vielleicht nicht mehr sind. Irgendwie geartete Natur wird vermutlich weiterleben und sich wieder entfalten, entwickeln... 
Wir steigen langsam hinab. Irgendwann soll es vielleicht noch eine Verlängerung des Pfades hoch oben zwischen den Bäumen geben...






Schließlich haben wir wieder festen Boden unter den Füßen. Der Metallpfad wirkt sehr stabil, schwingt aber unter den Schritten der Besucher und z. T. stärkerem Wind, der auch die Baumkronen schüttelt. (Bei Sturm und Gewitter bleibt der Pfad geschlossen.)






Nach einer Führung wandern wir noch einmal ganz in Ruhe und allein ums Alpenhaus herum, von unten schauen, das eine oder andere Detail entdecken...




 





Um die oft langfristig in der Heilstätte behandelten Patienten zu beschäftigen, gab es eine reichhaltige Infrastruktur, u. a. eine eigene Post. Im Alpenhaus befand sich am Rand des großen Speisesaals eine in einem großen Erker untergebrachte Bühne für Veranstaltungen. Heute wächst aus diesem Erker eine Linde heraus. 







Ein Ausflug, der uns beiden wohl als ein ganz besonderer in Erinnerung bleiben wird. Vielleicht kommen wir mal wieder her. Baum und Zeit erleben. Hier noch ein schönes Video - ohne Worte - mit Impressionen von Wipfelpfad und Alpenhaus.





Mein Freund, der Baum
Lost places
Freutag

27 Kommentare:

  1. Vielen Dank für diesen ganz wundervollen Fotobericht.

    LG

    Sylvia

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  2. Wow! Vielen Dank für den Bericht und die Bilder.
    LG
    Martina

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  3. Eine filmreife Kulisse, beklemmend und gleichzeitig schön. Was es alles gibt!
    Bon week-end!
    Und danke für die Post!
    Astrid

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  4. die mauern sehen ja noch tiptop aus!! diese alten hartbrandziegel sind nicht totzukriegen :-)
    ja - so funktioniert wald - und mit jedem grossem baum der umfällt und jedem mäuseköttel gibts mehr humus für mehr neue pflanzen......
    haste den fehler in der tafel bemerkt? wenn die rote armee ende april 45 die heilstätten einnahm waren es ja wohl deutsche soldaten die in den kellern widerstand leisteten - oder?
    xxxxx

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    1. jetzt sehe ich es auch, ich war so fasziniert "sowjetische Soldaten" statt wie so oft "die Russen" zu lesen, glatt übersehen, ich geb mal einen Hinweis hin..., danke - Ghislana

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  5. fast atemlos hab ich deinen bericht gelesen und mir zum schluss das video mit seiner angenehm passenden musikuntermalung angeschaut. ich will da unbedingt bald hin! ein wald auf einem haus, irgendwie großartig!!
    liebe grüße, mano

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  6. Das ist ja eine tolle Sache, dass man zur und durch diese Ruinen einen Baumwipfelpfad gebaut hat. So kann man über Jahre hinweg beobachten, wie sich die Natur vieles zurück holt und wie alles wieder grün wird.
    Eine beeindruckende Fotoreise!
    Schönes Wochenende,
    Luis

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  7. Sehr beeindruckend die Fotos...von unten und von oben. Hier kann man einen Lost Place so gut besichtigen, dass es ganz ungefährlich möglich ist. Faszinierend, wie in 70 Jahren dort ein Wald auf einem Gebäude wachsen konnte, ohne dass es komplett eingestürzt ist. Toll, schon der zweite Beitrag dazu von dir...:-)
    LG Sigrun

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  8. Herrlich ist das dort. Ich liebe deine Fotos.
    Genau so hätte ich mir das für Prora gewünscht...Macht mich ganz traurig.
    Liebe Grüße und schönes Wochenende

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  9. Da überkommt einem wirklich eine Endzeitstimmung. Das wäre das geeignete Set für die Verfilmung einer Dystopie.
    Andererseits ist es wunderschön zu sehen, wie die Natur die menschliche Geschichte wieder unter einen grünen Schleier legt.
    Liebe Grüße
    Andrea

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  10. Tolle Bilder und ein tolles Ziel, danke für den Tipp, das war mir bislang gänzlich unbekannt. Kommt auf die Liste für den nächsten "Heimat"-Besuch in Berlin.

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  11. Schräg. Total. Es erinnert mich ein bißchen an die Endzeit-Serie "Wayward Pines". Da möchte ich auch unbedingt hin...
    Danke für deine schöne Karte, sie hat mir den dringend benötigten Arschtritt gegeben, um mich online mal wieder kommunikativer zu zeigen. LG mila

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  12. Liebe Ghislana,
    danke für diesen tollen 2. Bericht von diesem Lost Place .... ich finde zuerst einmal herrlich, daß Du uns so viele tolle Bilder mitgebracht hast und alles so gut für uns beschrieben hast!
    Die Blicke von dem Baumwipfelpfad aus sind gigantisch, eine ganz andere Perspektive ,als, sei man in einer anderen Welt ... und man man bestens sehen, wie sich die Natur ihren Platz da zurückerobert!
    Vielen Dank für's Mitnehmen!
    Ich wünsche Dir einen guten Start ins Wochenende!
    ♥ Allerliebste Grüße , Claudia ♥

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  13. Diese Farben!
    Das Rot der Backsteine harmoniert so wunderbar mit dem Grün der Bäume!
    Vielen Dank für diesen Post.
    Liebe Grüsse
    Christa

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  14. Liebe Ghislana, mein Sohn fragte mich heute morgen nach einem Baumwipfelpfad, von dem er gehört hatte, mit einer Psychiatrie in der Nähe.... ich erinnerte mich, dass Du kürzlich von den Beelitzer Heilstätten berichtet hattest und - super Service!- hattest du nun auch genau diesen "Pfad", den er meinte, besucht und dokumentiert. Danke! Sehr spannend.... bleibt im Hinterkopf... Liebe Grüße, Sabine

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  15. Doch Ghislana, das hat was und die Beelitzer Anstalten habe ich schon mal gelesen auch vom Baumwipfelpfad ist aber schon lange her.

    Sicherlich ein tolles Erlebnis.

    Lieben Gruß Eva

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  16. ...in letzter Zeit habe ich mehrmals von diesem Objekt gelesen, liebe Ghislana,
    und möchte da gerne auch mal hin...total spannend sieht das aus...danke für deine schönen Bilder,

    liebe Grüße
    Birgitt

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  17. Das ist ja unglaublich beeindruckend. Ist das nicht toll, was die Natur leistet?Danke für diesen beeindruckenden Rundgang. Ich würde am liebsten losfahren, um mir das anzusehen. Ich wünsche Dir ein schönes Wochenende.
    Magdalena

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  18. Gut, dass sich die Natur alles wieder zurückholt - das macht Hoffnung. Die Bilder sind unglaublich eindrucksvoll!

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  19. Wie faszinierend...liebe Ghislana...da muss ich unbedingt mal hin!!!! Danke fürs Zeigen! Was die Natur doch für eine Energie und Optimismus zeigt...toll. LG Lotta.

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  20. Liebe Ghislana,
    das ist wirklich was für pipistrello! Einerseits diese Perspektive wirklich wie ein Vogel in den Baumkronen zu sein, der Blick von oben nach unten eben. Andererseits die philosophische Ebene: was wird sein wenn wir Menschen unseren eigenen Untergang geschafft haben? Sehr faszinierend zu sehen wie Natur sich immer wieder durchsetzt und Raum einnimmt, surreal und real zugleich.
    LG pipistrello

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  21. Unglaubliche Bilder in diese zuwachsende Zivilisation. Vielen Dank fürs Mitnehmen dorthin, Ghislana! LG Ulrike

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  22. Wow, wie toll es das denn? Dafür musste ich sogar mein Päuslein unterbrechen.
    Das ist ja wahnsinnig interessant. Oh, da wär ich gern dabei gewesen. Ich liebe Orte, an denen sich die Natur ihr Terrain zurück erobert.
    Danke für soviel tolle Aufnahmen, liebe Ghislana!

    Liebe Grüße!

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  23. Das sind ja ganz tolle und eindrucksvolle Bilder. Im Speziellen natürlich die alte Chirurgie, welche von der Natur nach und nach wieder renaturiert wird. Das wäre ein Ausflug ganz nach meinem Geschmack. Vielen Dank dass du uns diesen interessanten Ort vorgestellt hast. LG Marion

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  24. Liebe Ghislana,
    kürzlich wurde auch bei uns ein BAumwipfelpfad errichtet, allerdings weitgehend aus Holz. Es ist in der TAt ein ganz eigenartigess Erlebnis aus dieser so anderen Perspektive die Bäume, den ganzen Wald und die weitere Umgebung zu betrachten. Ich habe unseren Ausflug auch auf einem Post dokumentiert. Schau es Dir doch einmal an!
    Alles Liebe
    Heidi

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  25. Ja, so ist das, wenn man nicht alle Besuche auf seinen Posts genau zuordnen kann...Liebe Ghislana, ich habe gesehen, Du hast schon einen kleinen Ausflug bei mir auf dem saarländischen Baumwipfelpfad gemacht!
    Danke dafür!
    Nochmal alles Liebe
    Heidi

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Ich freue mich sehr über eure Gedanken.
Bitte aber keine anonymen Kommentare.